Berlin / 2007-09-03
Ich weiß ja nicht so genau, wie ich das Vertrauen “meines” Taxi-Fahrers heute Morgen gewann, aber “mir nichts dir nichts” erzählte er mir davon, dass seine Frau den Taxi-Unternehmer spielt, bei welchem er angestellt ist, dass sie alle (als Familie) aber mit ihm als Hauptversichertem gesetzlich krankenversichert sei, weil man ja nicht so wahnsinnig sei, sich privat krankenzuversichern.
Ich schluckte kurz, um den greifbaren Widerspruch zu formulieren.
Worin der besteht?
Man würde ja schon vermuten, dass der Unternehmer besser verdient, als der Angestellte.
Natürlich lassen sich die Einkommensverhältnisse besser tarnen, wenn das Unternehmen kein Personen-Unternehmen ist.
Jedenfalls kann die Familie eigentlich nur beim besser verdienenden der Elternteile mitversichert sein.
Wie er mir schilderte, ist auch seine Ehefrau in seiner Krankenversicherung mitversichert.
Als ich zu Ende geschluckt hatte, und meinte, dass wir ja wohl eigentlich nicht darüber diskutieren müssten, dass da etwas nicht ganz mit rechten Dingen laufen würde, begann er tatsächlich eine ganz abenteuerliche Argumentation.
Und die ging so:
Wenn die Mutter jedes afrikanischen Stundenten, der bei uns studieren dürfe, auch bei uns krankenversichert sei und Leistungen in Anspruch nehmen dürfe, dann könne er mit seinem Missbrauch auch ganz unbesorgt schlafen.
(Ich argumentierte schon in die Richtung, dass für ausländische Gäste über den ADAC korrekterweise eine günstige temporäre Krankenversicherung abgeschlossen werden kann, und, wenn ich mich recht entsinne, ist solch eine Krankenversicherung für nicht-EU-Gäste (und so) zur Erlangung eines Visums sogar ganz unabdingbar, aber (Sie wissen das ja selbst) es gibt so gewisse Gesellschaftsgruppen, welche sowieso immer ganz unbelehrbar alles besser wissen, und Taxi-Fahrer gehören da ganz sicher dazu.)
Außerdem sei das den Angestellten der Krankenversicherung, welche seinem Sachverhalt hätten nachgehen müssen, sowieso komplett egal, sie würden ja eh’ nicht im Sinne des Unternehmens (der Krankenversicherung) denken.
Er verstieg sich sogar noch viel weiter:
Ich fragte ihn, warum er an einer bestimmten Stelle in der Lietzenburger Straße (am Rankeplatz) nicht die (eigentlich verbotene) günstigere Abbiegung in die Rankestraße nehmen würde, und legte ihm aber schon ganz offen die passende Haltung nahe, dass es eben verboten sei. Darauf ging er zwar auch erst einmal ein, aber richtig lustig war, dass er erzählte, dass kürzlich ein russischer Fahrgast ihn gefragt habe, “warum wir hier so ehrlich seien”. Und er habe darauf geantwortet, dass “wir hier eben so ehrlich erzogen seien”. Aha.
(Bei Ehrlichkeit kommt mir immer das in Erinnerung, was ich damals Anfang der 80-er Jahre im Rahmen von Prof. Hans Lenks Philosophie-Seminar “Recht und Moral” gelernt hatte, aber davon wohl bei Gelegenheit mal mehr.)
An diesem Punkt unseres Gesprächs war ich am Ziel angekommen, und unser Gespräch fand sein Ende.
Man kann mir durchaus vorhalten, ich hätte dem guten Mann sein Unrecht nicht wenigsten einmal mit klaren Worten benannt.
Aber ich war mir sicher, dass er sich seines begangenen Unrechts durchaus bewusst war und dass ihm auch klar war, dass mir es klar war.
Ach, ich hatte am Anfang geschrieben, dass ich nicht genau wüsste, wie ich sein Vertrauen gewonnen hatte. OK, das muss ich gerade rücken, ich weiß es nämlich schon, zumindest bin ich mir da äußerst sicher:
Mein Weg ging von zu Hause zur Schule meines Sohnes Baruch, welchen ich aus der Schule wegen Übelkeit abholen musste.
Und ich hatte dem Taxi-Fahrer “Ludwigkirchplatz, zur Schule” als Ziel genannt.
Natürlich wusste der gewievte Berliner Taxi-Fahrer da, dass das dorteine katholische Schule ist und ging zuversichtlich davon aus, dass die Eltern eines dortigen Schülers auch brave Katholiken seien. Ich war freimütig genug, das ihm gegenüber mehr als in Frage zu stellen, aber den Kredit hatte ich trotzdem irgendwie, und als ich an der Schule das Taxi verließ, um meinen Sohn im Sekretariat abzuholen, verlangte er nicht einmal ein Pfand, welches ich ihm anbot, welches er aber ablehnte, weil man ja doch guter Katholik sein (fast so formulierte er das wirklich!).
Bekommen Sie noch den Bogen?
Sozialversicherungsbetrug – Neid und Missgunst gegenüber ausländischen Studenten – die deutschen Tugenden – “katholischer Kredit”.
Na, dann Prost! (Oder etwa nicht???)
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