Jürgen Habermas: Im Sog der Technokratie: Kleine Politische Schriften XII: Kapitel 1: Jüdische Philosophen und Soziologen als Rückkehrer in der frühen Bundesrepublik

Kapitel 1: Jüdische Philosophen und Soziologen als Rückkehrer in der frühen Bundesrepublik

Ich kann bei dieser Gelegenheit keinen Beitrag zur Exilforschung leisten, sondern nur aus der unsicheren Perspektive des Zeitzeugen einige Erinnerungen sortieren. Jüdische Emigranten sind nach der Rückkehr in die Heimat, die sie verstoßen hatte, für eine jüngere Generation zu unersetzlichen Lehrern geworden. Gershom Scholems schmerzliche Feststellung, dass die sogenannte »deutsch-jüdische Symbiose« von Anbeginn eine Mesalliance gewesen ist, trifft soziologisch und politisch zu; sie beleuchtet eine immer wieder verleugnete Asymmetrie im Geben und Nehmen beider Seiten. Eine solche Asymmetrie setzt sich auch in meinen Zeilen fort; ich spreche nämlich aus der Perspektive des Nutznießers, ohne auf die Erfahrungen der Rückkehrer selbst einzugehen, die sich im Klima eines teils feindseligen Ressentiments, teils betreten-kommunikativen Beschweigens des wenige Jahre zurückliegenden Massenmordes zurechtfinden mussten.

 


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