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ZDF-History: Kalte Heimat: Vertriebene in Deutschland – ethnisch deutsche Migranten “zurück” in Deutschland

Vierzehn Millionen Deutsche verlieren im und nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur Haus und Hof, sondern auch ihre Heimat. Für Ostpreußen, Pommern, Schlesier und Sudetendeutsche ist die neue Heimat im Westen anfangs leider eine kalte.

Häufig sind die Vertriebenen nicht willkommen. Sie werden als “Polacken” und “Rucksackdeutsche” diffamiert und müssen oft in ärmlichen Notunterkünf- ten wohnen. Erst nach Jahren verschaffen sie sich Respekt durch ihren Aufbauwillen und ihre Leistungsbereitschaft.

“Ich bin froh, hier zu sein”

Julia Neigel – heute eine bekannte Rocksängerin – ist fünf Jahre alt, als sie mit ihren Eltern im Dezember 1971 aus der Sowjetunion nach Deutschland kommt. Ihre Familie war im Krieg getrennt worden und wird erst nach 30 Jahren wieder zusammen finden. Julia Neigels Großmutter stirbt in Stalins Gulag, ihre eigene Mutter überlebt. Dreizehn Jahre stellt die Familie Ausreiseanträge, bis sie endlich nach Ludwigshafen ausreisen darf, wo Julias Großvater, der schon vorher fliehen konnte, sie erwartet.

Julias Start in ihrer neuen deutschen Schule ist schlecht. Sie wird ausgegrenzt und gedemütigt. Früher in Russland das Nazi-Kind, jetzt in Deutschland “die böse Russin”. Immer wieder wird sie von den Nachbarsjungen verprügelt. Als Julia Neigel vor einigen Jahren zurück reist nach Barnaul in Sibirien, wo sie geboren wurde, sei das ein Schock gewesen, sagt sie. Die Armut der Menschen habe ihr fast das Herz gebrochen, doch ihre Herzlichkeit habe vieles geheilt. Zurück bleibt vor allem das Gefühl von Dankbarkeit: “Ich habe das Hierherkommen und das Hierleben immer als ein Riesenglück und als Riesenfreiheit empfunden, und ich bin sehr froh hier zu sein.”

Verbotene Liebe

In Westfalen, in der britischen Besatzungszone, liegt der Hof der Familie Landwehrmann. Sie sind die wohlhabendsten Bauern in der Gegend um Bielefeld. Nach Kriegsende findet Erich Kroll, Flüchtling aus Ostpreußen, bei den reichen Bauern Arbeit. Erichs Familie hatte in Ostpreußen einen eigenen Hof. Bei den Landwehrmanns muss er als Pferdeknecht arbeiten.

Dabei kommen er und die jüngste Tochter sich näher. Hanna Landwehrmann verliebt sich in den armen Flüchtling. Als ihre Eltern von der Liebe erfahren, wollen sie die Verbindung mit allen Mitteln verhindern. Hannas Mutter schmiedet sogar Pläne, das junge Liebespaar zu vergiften, damit die jüngste Tochter keine Schande über die Familie bringt. Zum Äußersten kommt es nicht, aber am Ende muss Hanna hinnehmen, dass sie der Vater für ihre Wahl enterbt.

Die in dieser Film-Dokumentation erwähnten Fluchtbewegungen (nämlich diejenie direkt beim “Zusammenbruch” und dann diejenige sich fast in die Gegenwart erstreckende der “Spätaussiedler”) waren nicht die einzigen durch den 2. Weltkrieg initiierten Fluchtbewegungen ethnischer Deutscher. Ich kann das nicht wissenschaftlich beweisen, aber mein eigener Vater und seine Eltern kamen schon vor 1945 aus der Bukowina “zurück” nach Kern-Deutschland, wohl nicht direkt als Vertriebene aber sicher um der Vertreibung vorwegzukommen.

Die Redakteure des Filmes haben eigentlich einen “ziemlich moralinsauren Ton drauf”. Bürger der 4 Besatzungszonen und später der deutschen Nachfolgestaaten habe es an völkischer Solidarität zu den Vertrieben bzw. ethnisch deutschen Migranten gefehlt. Au weia! Was haben sie denn gemeinsam? Die deutsche Sprache etwa – und das in weit auseinander klaffenden Dialekten, um es harmlos zu formulieren? Nun, (ethnisch) Deutsche aus Nord, Süd, Ost und West sind sich bis heute nicht grün – was kann man dann von diesen “erwarten”, wenn Deutsche von wo ganz anders her dazustoßen? Sie sind de facto Migranten und sogar Ausländer, auch wenn das de jure anders aussehen mag.

Selbst Familien (im Verwandtschaftskreis), die sich selbst z.T. aus Vertriebenen zusammensetzen, brachten kein (emotionales, tragfähiges) Verständnis für “Spätaussiedler” (Russlanddeutsche) auf, die noch viel später erst (nach 2000 z.B.) sich “auf den Weg nach Hause” machten.

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