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Brasilien versteht man nur, wenn man es als lateinamerikanischen Sonderfall begreift. Es spricht eine andere Sprache als der Rest der Region und hat eine andere politische Kultur. Sie ist nicht von der offenen Konfrontation geprägt, sondern vom Konsens, vom Hinterzimmerdeal. Es gab hier keine große Revolution von unten. Der Kolonialismus, der Sklavenstaat, die Militärdiktatur, all das verschwand erstaunlich reibungslos. Die Eliten sind dabei jedoch stets dieselben geblieben. Das bedeutet aber auch, dass diese großen Gewaltkomplexe nie gesellschaftlich aufgearbeitet wurden. An dieser Geschichtsblindheit vor allem krankt die brasilianische Demokratie.
Es ist eine Demokratie, die nicht repräsentiert. Weder die Frauen, noch die Indigenen oder die Schwarzen. Präsident Michel Temer hat nach dem Sturz seiner gewählten Vorgängerin Dilma Rousseff ein Kabinett gebildet, das nur aus weißen Männern besteht. Auch das Parlament ist weit davon entfernt, die Bevölkerung dieses vielschichtigen Landes widerzuspiegeln. Der aktuelle Wahlkampf setzt diese Tradition fort.
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