Beim Mittagessen neulich bei einem Auftraggeber in München fragte ich einen entfernten neuen Kollegen, der wie mein Vater aus einem Nicht-EU-Land stammt, wie er das mit der Arbeitserlaubnis bzw. dem Visum geregelt hat.
Aber seine jungen deutschen Kollegen, die alle diese internationalen Fragen wie rohe Eier behandeln, hielten das für ausgemachten Ausländerhass – erfuhr ich etliche Tage später. Insbesondere den Bastian hat es wohl heftig gestört. Der Bastian ist so ein junger Mann (aus Brandenburg) mit “Gewissen”, wie er meint, und der einen die ganze Zeit ausfragt und ausforscht und beobachtet. Er und ich, wir saßen Schreibtisch and Schreibtisch, und er hat es mir tatsächlich weniger als eine Woche nach jenem ominösen Gespräch mit Yevgen auch erzählt. Wie dringend ihm das war. Knapp eine Woche später.
Jedenfalls eskalierte er das (schon bevor er mit mir darüber sprach) an der Team-Leitung (dem Scrum-Master) vorbei so in Richtung Geschäftsführung. Na und den Rest kann man sich denken. Das wollten die beim Auftraggeber dem armen Bastian nicht zumuten, dass er neben so einem Ausländerhasser sitzen muss. Aber befragt haben sie mich dazu auch nicht. Dass es den Bastian gestört hat, das hat ihnen gereicht.
- Mein Vater stammt aus Rumänien.
- Ich selbst habe schon in mehreren und verschiedenen europäischen Ländern gearbeitet, zum Teil explizit ohne Arbeitserlaubnis; ich bin also selbst immer wieder Arbeits-Migrant und Ausländer.
- Ich habe FreundInnen und Bekannte aus “aller Herren Länder” von den USA über Israel bis Saudi-Arabien.
- Mein erster Sohn hat eine polnische Mutter.
- Mein zweiter Sohn hat eine brasilianische Mutter.
- Die jüdischen Aspekte dabei möchte ich zumindest nicht absolut unerwähnt lassen.
- Anti-semitische Vorwürfe würden dem Ganzen jetzt noch die Krone aufsetzen.
- Als Deutscher, den in den 60-er Jahren geboren wurde, bin ich ein Enkel der Generation der Holocaust-Täter, und so dumm, wie sich das anhört: ich trage schwer daran.
- Ich habe ein Hebraicum von der der Hochschule für jüdische Studien.
Den netten und guten Menschen, die ich bei diesem Auftraggeber auch traf, wünsche ich alles Gute.
Den anderen möchte ich ins Stammbuch schreiben:
Denkt mal, bitte, etwas länger nach, bevor ihr jemandem am nächsten Baum aufhängt!
Update 2011-09-09-16-18:
Ich hatte heute Morgen die Agentur zwischen mir und diesem Kunden um eine detaillierte Erläuterung des Vorganges gebeten.
Diese Erläuterung bekomme ich nicht, wurde mir gerade telefonisch mitgeteilt von der eigentlich wirklich netten Mitarbeiterin der Agentur. Im Gegenteil, ich wurde “geschimpft” dafür, dass ich nicht stillhalte. Tja, Bayern! Da muss man eben ganz brav hinhalten, wenn einem von oben eine gescheuert wird.
Aber weil diese Agentur eine der stärksten in ‘Schland ist, wird’s wohl mit dem juristischen Nachspiel nix werden. Denn wer will sich’s schon mit ihr verpatzen?
Aber wenn ich mir’s bereits mit ihr verpatzt habe?