Die Bahn setzte also am Montag Morgen einen Ersatz-ICE ein. Kurz vor der Einfahrt des Zuges gibt es eine passende Lautsprecher-Durchsage, irgend etwas zur Wagenreihenfolge war auch mit dabei. Na, jedenfalls kommen die Wagen nicht in der Reihenfolge zu stehen, wie man es vom Wagenstandanzeiger her erwartete. Mein Wagen 32 stand etwas weiter weg, und ein kleiner Spurt wurde nötig. Ich steige in den Wagen, bewege ich zu meinem Platz und siehe da: Der ist schon besetzt. Zum Glück habe ich außer dem “Handy-Ticket” auch einen hübschen Ausdruck dabei, vergewissere mich noch mal, ob ich auch im richtigen Wagen und vor dem richtigen Platz stehe, und dann stelle ich die Frage auch noch so harmlos (eben ob ich denn hier ich richtigen Wagen und vor dem richtigen Platz stehe), und was bekomme ich von “der Dame” auf meinem Platz zur Antwort: Ja, ja, aber heute würden die Reservierungen nicht gelten, sie hätte sich da beim Personal vergewissert. Das wollte ich nicht stehen lassen, und “die Dame” auf ihre eigene Reservierung verweisen, die ihr ja auch einen Platz zusichere (natürlich außer wenn eine bestimmte Wagennummer in diesem Zug nicht vorkäme), aber die Umgebung sprang ihr zum Teil bei oder wollte mich still bekommen, es sei doch noch so früh und man hätte es gern ruhig. Ich verwarf den Gedanken, “die Dame” (eine ganz und gar nicht gebrechliche “Dame” in ungefähr meinem Alter) von meinem Platz zu zerren, hoffte, dass das Personal baldmöglichst auftauchen möge, und bin gerade dabei, mich ein wenig angesichts der schwadronierenden Lästermäuler zu verziehen, als eine Ansage durch den Zuglautsprecher aufzieht. Eigentlich fürchtete ich, dass die Lästermäuler recht bekommen und noch lauter schwadronieren würden, aber nein, es wurde kurz und bündig erklärt, dass alle Reservierungen auch in dem Erstatzzug ihre Gültigkeit behielten. Ich hätte wohl noch zwei-, dreimal kräftig durchatmen und nach der friedfertigsten aller möglichen Formulierungen suchen sollen, aber ich unterließ dies leider. So bekam “die Dame” so etwas ab wie, dass sie jetzt sofort meinen Platz verlassen möge. Sie bot keinen weiteren Widerstand. Der lauteste Mitschwadronierende bot noch eine Extra-Einlage: Er verzichtete zu Gunsten “der Dame” auf seinen eigenen Sitzplatz und kommentierte das … .
Nun, die Bahn hatte ihr vor Ort tätiges Personal sicher nicht darüber im Unklaren gelassen, dass die Reservierungen ihre Gültigkeit behielten, ergo hatten “die Dame” und ihre Beistände ganz schlicht die Unwahrheit gesagt. Nein, selbstverständlich entschuldigten sie sich nicht dafür, als ihre Lügen offenbar wurden, das wäre ja zu viel erwartet.
Ich kam dann rasch auf meinem Platz zu sitzen, hielt das Tablett und die Ausweise parat, brachte den Sitz in Schlafposition, setzte die Augenbinde auf, zog die Kapuze über und versuchte, noch einmal Schlaf zu finden. Das gelang angesichts der überstandenen Aufregung nicht sogleich, aber dann doch. Und die Fahrkarte wurde heute nicht einmal kontrolliert.
Für den Wiederholungsfall werde ich meine Vorgehensweise noch etwas optimieren. Ich werde mich anstrengen, ein Spur weniger brüsk zu sein. Aber ich werde auch argumentieren, dass “meiner Erfahrung nach” Reisende die zu Unrecht reservierte Plätze besetzen regelmäßig unwahr behaupten, dass das Personal ihnen erklärt habe, dass Reservierungen heute keine Gültigkeit besäßen, aber dann doch sich im weiteren Verlauf der tatsächlichen Ordnung fügen müssten und von ihren Plätzen unehrenhaft entfernt würden. Vielleicht muss ich diese Formulierung auch noch etwas optimieren, damit sie zwar noch ähnlich offensiv aber weniger angreifbar ist.
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