Menschen, die alles verlassen haben, was ihnen vertraut war, “Geflüchtete” zu nennen statt “Flüchtlinge”, ist keine ärgerliche Modeerscheinung. Es ist Ergebnis eines Bewusstseinsprozesses, in dem klar geworden ist, welche Geringschätzung in der Wortform liegt, die auf -ling endet. Es gibt den Säugling, den Lehrling, den Häftling, den Däumling – die Bedeutung ist immer: ein Wesen, das klein, unselbständig, abhängig ist, der belehrt werden muss, gefangen gehalten wird. Die Autorin meint, das Wort “Flüchtling” klinge “frisch und dynamisch”, “Flüchtling” sei “ein wunderbares Wort”, so schön wie das Wort “Schmetterling”. Ich finde das eine zynische Bemerkung.
Marlies Buchholz, Hamburg – “Zynische Bemerkung” (Leserbrief aus der oben verlinkten Kolumne)
Ich selbst “rette” mich gewöhnlich in den Begriff “Migration“, um das “-ling”-Wort “Flüchtling” zu vermeiden. Dabei war mir das Pejorative an dem “-ling”-Wort nur vage klar. Ich finde diese Zeilen von Marlies Buchholz ganz, ganz toll. Mag sein, dass ich kein Recht dazu habe, so umfassend aus dem Leserbrief zu zitieren.